Die Wundheilung hängt von patientenindividueller Prädisposition, der Lokalisation, der Verletzung sowie von verschiedenen weiteren Faktoren ab. Je nach vorliegenden Faktoren können sich pathologische Narben, wie hypertrophe Narben oder Keloide, entwickeln.
Die Entwicklung von Narben ist ein physiologischer, proliferativer Prozess des dermalen Gewebes nach operativen Eingriffen oder Verletzung der Haut. Am Ende dieses Prozesses steht die Entstehung einer Narbe mit geringer wertigem kollagenreichen Bindegewebe. Bildet sich nach einigen Wochen eine schmale, hellere Narbenlinie, eine sogenannte (Haarliniennarbe), dann wird diese als reife, unauffällige Narbe bezeichnet.
Geht die Rötung und Erhabenheit der Narbe auch nach sechs bis acht Wochen nicht zurück, kann die Entwicklung in eine pathologische, also übermäßige Narbenbildung (hypertrophe Narbe) oder in eine Keloidbildung übergehen.
Pathophysiologie der Narbenbildung
Beeinflussende Faktoren
Die pathologische Narben- oder Keloidbildung ist von der Art und Lokalisation der Verletzung und der genetischen Prädisposition des Patienten / der Patientin abhängig.
Die genauen Ursachen für die pathologische Narbenbildung sind noch nicht vollständig geklärt. Man weiß heute aber, dass unterschiedliche Faktoren den Wundheilungsprozess negativ beeinflussen und eine pathologische, überschießende Narbenentwicklung fördern können.
Zu diesen beeinflussenden Faktoren gehören:
- Patientenabhängige Faktoren
Zu den patientenabhängigen Faktoren gehören neben der genetischen Veranlagung, die insbesondere für Keloide beschrieben wurde, die ethnische Gruppe, Hauttyp, Hormonstatus und Alter des Patienten/der Patientin. Gehäuft treten hypertrophe Narben und Keloide um das 10. Lebensjahr, hier insbesondere während der Pubertät und um das 30. Lebensjahr, hier vor allem bei Frauen in der Schwangerschaft, auf. Weitere einflussnehmende Faktoren sind das Rauchen und Krankheiten wie z. B. Diabetes mellitus. - Lokalisation
Als besonders gefährdete Lokalisationen für eine pathologische Narbenbildung gelten die vordere Brustregion und die Schulterpartie, wo Wunden während des Heilungsprozesses hohen Zugkräften ausgesetzt sind und die Ohrläppchen. - Umweltfaktoren
Die Art der Hautverletzung, wie z. B. Verbrennungen, die überdurchschnittlich häufig zu hypertrophen Narben führen, oder auch eine verzögerte Wundheilung (>21 Tage), gehören zu den Umweltfaktoren.
Die Folge des Zusammenspiels dieser Faktoren ist eine gestörte Wundheilung, die u. a. zu einer erhöhten Fibroblastenproliferation und Kollagensynthese sowie einem reduzierten Kollagenabbau führt. Dadurch können sich hypertrophe, unästhetische Narben oder wulstige Keloide ausbilden.
Pathologie
Histologisch ist übermäßig wachsendes Narbengewebe wie bei hypertrophen Narben oder Keloiden durch ein unphysiologisches Fibroblastenwachstum und die exzessive Akkumulation von extrazellulärer Matrix (EZM) charakterisiert.
Die Ursache wird in einer Störung der streng regulierten Wundheilungsmechanismen vermutet. Bei störenden Einflüssen wie einer verzögerten Wundheilung oder prädisponierenden Faktoren kommt es so vermutlich zu einer persistierenden Entzündung, übermäßiger Kollagensynthese und/oder einem reduzierten Ab- und Umbau der EZM während der Regenerationsphase der Wundheilung und damit zu übermäßigem Narbenwachstum. Eine schematische Darstellung der bekannten Störungen im Wundheilungsprozess, die zu vermehrtem Narbenwachstum führen können, findet sich in der Abbildung links.
Molekulare Prozesse der gestörten Wundheilung und pathologischen Narbenbildung
Untersuchungen lassen vermuten, dass es bei überschießender Narbenbildung zu einer vermehrten Bildung von Wachstumsfaktoren wie den „transforming growth factors“ TGF-β1 und TGF-β2 kommt, die die Kollagensynthese stimulieren. Das Konzentrationsverhältnis der drei physiologisch vorkommenden TGF-β-Isoformen während der initialen Wundheilungsphase scheint für die Bildung von überschießenden Narben von zentraler Bedeutung zu sein. Während TGF-β1 und -β2 die Fibrose und Narbenbildung vermitteln, scheint TGF-β3 die Narbenbildung zu hemmen.
Weitere Wachstumsfaktoren, die im Zuge der überschießenden Narbenbildung vermehrt ausgeschüttet werden, wie PDGF (platelet-derived growth factor) und IGF-1 (insulin-like growth factor), fördern ebenfalls die Kollagensynthese, Fibroblastenproliferation, die Bildung der EZM, die Neovaskularisation und die Fibronektin-Synthese.
Weiteren Studien zufolge kann auch die Schwere und Länge der Entzündungsreaktion in Phase I der Wundheilung ebenso wie die Art der Immunantwort im Zuge dieser Entzündungsreaktion eine pathologische Narbenentwicklung begünstigen. So kann z. B. auch eine vermehrte Ausschüttung der Interleukine IL-4 und IL-10 zu einer verstärkten Fibrogenese führen.
Neben der gesteigerten Fibroblastenproliferation und EZM-Synthese wird auch ein veränderter EZM-Abbau als Ursache für das unphysiologische Narbenwachstums diskutiert. Der Ab- und Umbau der EZM ist ein zentraler Mechanismus der Phase III der Wundheilung. Zu den wichtigsten Enzymen während des Umbaus der EZM gehören die Kollagenase aus der Familie der Matrix-Metalloproteasen (MMP). Während MMP-1 und 2 insbesondere Kollagen Typ I abbauen, werden die EZM-Bestandteile Elastin und Fibronektin insbesondere durch MMP- 9 abgebaut.
Es wird vermutet, dass ein Ungleichgewicht zwischen der EZM-Synthese und der Spaltung durch Kollagenasen wie MMP-1 und MMP-9, z. B. durch eine verminderte Aktivität von MMP-1, zu einer Akkumulation von EZM führt und damit die Bildung von hypertrophen Narben oder Keloiden bedingen.
Quellen
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